Retten wir die Opfer der Devisenkredite!
Mit dieser Losung werden im Land heutzutage vielerorts Demonstrationen, Foren und Vorträge veranstaltet. Die Organisatoren sind Zivilverbände, Juristen und in erster Linie die Betroffenen selbst. Man kann ihre Zahl zwar nur schätzen, aber — wie Experte behaupten — liegt diese bei 3 Millionen, wenn nur die direkt Betroffenen mitgerechnet werden. Das heißt: Vater, Mutter und Kind(er). Diese Zahl bedeutet etwa 30 % der Landesbevölkerung!
Warum haben diese Leute Kredit auf Devisenbasis aufgenommen? Waren sie gierig oder ahnten von der Schattenseite dieser Konstruktion nichts? Die Antwort ist nicht einfach. Man muss auch die Mentalität der Ungarn verstehen!
Diese Kreditkonstruktion wurde erst nach 2003 in Ungarn möglich — eben wegen dem Banklobby. Viele meinten, dieser Weg wäre wegen der niedrigen Zinsen und anderen Vergünstigungen für ihre finanziellen Schwierigkeiten die einzige und sogar die beste Lösung. So haben diese Menschen Fahrzeuge und Immobilien (z. B. eine eigene Wohnung) kaufen können — durch die Hilfe der Banken. Sie meinten: ihre Träume werden endlich wahr! Dann kam 2008 und damit die Weltwirtschaftskrise. Wegen dem Fallkurs der ungarischen Währung gerieten viele Familien in eine sog. Zinsenfalle: sie mussten und müssen monatlich eine enorm erhöhte Summe an die Bank zahlen. Statt der bis dann gewöhnlichen 30-40.000 HUF 80-100.000 HUF. Das bedeutet einen großen Aderschnitt, auch wenn diese Leute inzwischen — gerade wegen der Krise — ihren Arbeitsplatz verloren haben.
„Diese Leute hätten den Vertrag sorgfältig lesen müssen“ — wird von Experten behauptet. Und auch von denen, die nicht in dieser Falle sitzen. Ja, aber wie könnte man ihnen helfen? Wie uns die Kiskőröser Anwältin, Dr. Boglárka Pozsgai erklärte, diese Verträge bluteten aus mehreren Wunden. Es gibt in ihnen Sätze, die juristisch angreifbar sind und wegen des Extraprofits der Banken zweifellos das Attribut Wuchervertrag haben könnten. Das sei aber in Ungarn strafbar. Das heißt: die Kreditnehmer hätten den Vertragstext sorgfältig lesen, der aber einige Widerrechtlichkeiten beinhaltet, und deshalb (teilweise) ungültig gemacht werden kann!“
Warum müsste man das Problem derartiger Verschuldung zentral lösen? Oder anders gestellt die Frage: warum sind diese Geschädigten wirtschaftlich ein ständig wachsendes Problemfaktor für den Staat?
Der Soltvadkerter Aktivist, Sándor Fodor hat diese Fragen auf einem Bürgerforum erörtert.
„Das ungarische Volk wurde in den letzten 23 Jahren tiefgreifend zersplittert. Das ist mehreren Faktoren zu verdanken. Die Hauptrolle spielt dabei eben das Fehlen der effektiven, von oben kommenden Schutzmaßnahmen. Die verschiedenen politischen Kräfte haben sich jahrzehntelang nur darum bemüht Anhänger für „ihre Wahrheit“ zu erwerben. Das war eine Art Ausbeutung, die bis heute andauert. Ausbeutung seelisch und finanziell. Bei dieser Tätigkeit haben sich Politik und Finanzkapital in einander verflochten. Aber so tief, dass unsere zweijährige Zivilbewegung, die beide dieser Sektoren scharf kritisiert, gar nicht publiziert werden darf. Kaum ein Fernsehsender und kaum eine Zeitung wagen sich damit zu beschäftigen. So viel über Pressefreiheit! Aber trotzdem würde es beiden, also sowohl der Politik als auch der Banksphäre im Interesse stehen, dieses akute Problem zu beheben. Erstens denn diese Leute bilden die Wählerschaft. Und sie kommen eben nicht aus dem Kreis der Rentner, sondern hauptsächlich aus der lasttragenden Generation. Ja, sie tragen die Lasten, bis sie können. Monetarisch bringt für das Staatsbudget langfristig ein schweres Defizit, wenn die finanzielle Lage dieser Leute nicht saniert wird. Was meine ich? Nehmen wir den monatlichen Geldumsatz einer verschuldeten Familie: nachdem die Zinsen/Schulden an die Bank getilgt wurden, reicht ihr Geld nur für das nötigste aus. Deshalb kaufen sie weniger Waren ein und nehmen keine Dienstleistungen in Anspruch. Ihr Verbrauch senkt allmählich. Vielleicht nur geschmuggelte Waren und Schwarzarbeit dürfen in Rede kommen… Das ist also ein ernsthafter Einnahmeausfall für den Staat. Dann, wenn die Familie sich nicht mehr aufrechterhalten kann, wandern sie provisorisch oder ewig aus. So haben wir zwei Generationen verloren.“
Dreimillionen Betroffene, das heißt: 3 Millionen gefährdete Existenzen! Wie der Budapester Zsolt Falus, Vorsitzender der Zivilorganisation „Bankfalle“, betont hat, sind es mehr als 30 Selbstmorde bekannt, die wegen der Aussichtslosigkeit aus dem Devisenkredit begangen wurden. Nehmen wir ein einfaches Beispiel, das eine reale Geschichte ist! Hat die Familie einen Kredit z.B. auf der Basis von Schweizerischen Franken für Autokauf in Anspruch genommen, und konnte diesen nicht mehr zurückzahlen, hat es schwere Folgen. Die Bank nimmt das Auto weg und verkauft dieses — zum ¼ des originalen Preises. Diese Summe deckt aber den Wert des Kredites gar nicht, so wird dieser auf das Haus weitergelastet. Kann die Familie das weiter nicht mehr tilgen, wird sie mit Auslogierung bedroht. Die Familie lebt unter Zweifeln.
— Ja — sagt József Tatár, der Wortführer des Heimschutzrates (Otthonvédelmi Tanács) aus der Hauptstadt — dann kommen wir, die Aktivisten und demonstrieren vor dem gefährdeten Haus. Für dieses Jahr wurden 50.000 -70.000 Auslogierung angekündigt. Das heißt: so viele Familien sind in konkreter Gefahr. Unsere Waffe ist die Pression: wir demonstrieren da, setzen uns das Haus herum. Wenn Hunderte da sind, kostet es den Staat eine Menge Geld, all diese Demonstranten zu arrestieren. Die Beamten können so viele Verhaftungsprotokolle nicht herausgeben, und der Widerstand der Bürger wird dadurch gerade allmählich wachsen. Gerade im Jahr der Parlamentswahlen…
Zusätzlich:
2012 wurden in Ungarn nach dem Bericht des Zentralen Statischen Amtes haben nur etwa 3.000 Zwangsversteigerungen für Immobilien stattgefunden. Deren Hälfte sind Wohnimmobilien. Aber — wie es im Bericht lautet — der überwiegende Teil dieser Zwangsvollstreckungen wären nicht wegen Devisenkredite. Wie wird es nächstes Jahr?
So leben wir in Ungarn 2013.
Lajos Káposzta
2013