Familiäres Fest in der Kiskunhalaser Synagoge
Eine Attraktion könnte man nennen, wenn in einer provinziellen Synagoge etwas Besonderes in Ungarn passiert. In der Reihe der Gedenkfeier, der Martyrer-Erinnerungen und der eventuellen Konzerte zählt es wirklich zu den Seltenheiten, wenn in einer kleineren Stadt außer dieser noch „etwas“ stattfindet.
Kiskunhalas gehört zu den Ausnahmen: die hiesige Synagoge hat ihre sakrale Bedeutung nie verloren. Das ist auch der Tatsache zu verdanken, dass nach dem zweiten Weltkrieg relativ viele Mitglieder der ehemals 800 Seelen zählenden Gemeinschaft heimkehren konnten.
Dann kamen die die traurigen Jahrzehnte des Kommunismus: Hunderte verließen die Stadt und das Land in Richtung Israel. Aber das religiöse Leben wurde nicht stillgelegt — dank dem jeweiligen Vorstand der Glaubensgemeinschaft. Sie haben heutzutage auch einen eigenen Rabbiner. Die Feste und die Gedenktage, wie Purim, Ros-hasana (Neujahr), Pesach, Chanukka, usw. werden jedes Jahr sorgfältig gehalten.
Anfang September kam es zu einem besonderen Ereignis in der Synagoge. Ein Junge erfüllte sein 13. Lebensjahr. Das ist ein Meilenstein im Leben eines religiösen Juden — ebenso wie die Konfirmation oder die Firmung bei den Christen. In diesem Alter kann das Bar Micwo stattfinden, das aus einer öffentlichen Prüfung und Glaubensbekenntnis besteht. Rafael Ritter eignete sich mit der Hilfe seiner Eltern und des Rabbiners die Lehren seiner Religion an. Am vorangehenden Tag vor dem Bar Micwo setzte er die kultischen Kleidungsstücke zu täglichen Gebet eines Mannes auf: Das erste Tfilin wir auf gelegt (Jiddisch-ungarisch: „Tfilinlegolás“).Die kleinen Quadrate und die Riemen symbolisieren die Verbindung mit Gott. Nicht nur er, sondern auch die männlichen Mitglieder der Gemeinde trugen diese Zeuge, so wurde der Gottesdienst gefeiert. Rafael durfte das erste Mal die Tora-Rollen aus dem Schrank holen und dem Rabbiner, Tamás Róna, übergeben. Das ist immer die Aufgabe der Männer.
Der Landeshauptrabbiner, Dr. Robert Fröhlich predigte über den Segen und den Misserfolg der Ausübung der jüdischen Religion in einer Provinzstadt. Segen, denn man ist Inhaber zahlreichen Werte. Und man wird dadurch auch von Misserfolgen begleitet, denn es gibt viele, die diese Religion nicht verstehen und viele negative Stereotypien betonen. Deshalb muss man viel Kraft für die Aufklärung der Bevölkerung opfern und bei Misserfolgen nicht traurig werden.
Am Ende der gut bestandenen Prüfung wurde Rafael mit Bonbons beworfen, damit sein Leben in der Zukunft immer süß wird.
Das ungarische Judentum wurde im Laufe des zweiten Weltkrieges wesentlich geschrumpft, aber trotz der Zwangsarbeit an den Frontlinien und der Verschleppung in die KZ-s haben Hunderttausende überlebt. Das wieder beginnende religiöse Leben wurde durch mehrere Faktoren gehemmt. In erster Linie ist der kommunistische Staat hierher zu zählen. Wer religiös war, wurde vom atheistischen Staat unterdrückt, manchmal sogar auf juristischen Weg verurteilt. Ein anderes Merkmal dieses Systems, dass man unter den kommunistischen Parteifunktionären hauptsächlich ärmere Juden entdeckt, die einen gesellschaftlichen Fortschritt durch diesen Wechsel erwartet haben. Diejenigen Juden, deren Betriebe, Läden und andere Unternehmen in den 1940-er Jahren verstaatlicht wurden, haben ihre Existenz verloren. Sie haben gehofft, in den USA oder dem neulich gegründeten Israel eine bessere Zukunft zu finden. So haben sie das Land in den Nachkriegsjahren — manchmal nicht ohne Risiko — verlassen. Diese Tendenz setzt sich auch heutzutage fort, obwohl als Unternehmer auch viele (ehemals ungarische) Juden nach Ungarn zurückkommen. Dieser Zuwanderung und der Unterstützung einiger internationaler Stiftungen ist zu verdanken, dass die jüdische Kultur in Ungarn — hauptsächlich in der Hauptstadt — eine neue Blütezeit hat. Neben den Schulen und Kindergärten erscheinen mehrere Kulturzentren, Ensembles und Musikgruppen. Diese haben eine positive Auswirkung auch auf das religiöse Leben.
Lajos Káposzta
2016